Alternative Räume für Geburt
Geburtenstationen drohen zu schließen – Hebamme und Architektin Anka Dür zeigt Alternativen auf
VN / 09.08.2025 • 08:00 Uhr

Neben der möglichen Schließung von Geburtenstationen gibt es keine einzige Hebammenpraxis mit Geburtsmöglichkeit in Vorarlberg. Anka Dür bringt neue Ideen und erprobte Modelle ins Spiel.
Darum geht’s:
Über die Schließung der Geburtenstationen in Bregenz und Bludenz wird diskutiert.
Anka Dür schlägt hebammengeleitete Alternativen vor.
Positive Fallbeispiele aus der Schweiz und Dänemark.
Von Katja Grundner
Das letzte Entbindungsheim Vorarlbergs schloss im Jahr 2001. 2006 folgte die Geburtenstation im Landeskrankenhaus Hohenems. Heute – rund zwanzig Jahre später – sorgt die Debatte um die Zukunft der Geburtenstationen in Bregenz und Bludenz für Verunsicherung. Vor diesem Hintergrund erscheinen Alternativen wie eine Hebammenpraxis mit Geburtsmöglichkeit umso relevanter. Während es nach Angaben des Österreichischen Hebammengremiums in Kärnten drei davon gibt, liegt der Stand in Vorarlberg und auch in Tirol bei null. Als Architektin, Mitbegründerin der „Interessengemeinschaft (IG) Geburtskultur a-z“ und Mitglied der Ländlehebammen verweist Anka Dür auf unterschiedliche Modelle für Hebammenpraxen mit Geburtsmöglichkeit.

Elementbauweise und Geburtspavillons
Im Jahr 2020 plante Dür mit der interdisziplinären „IG Geburtskultur a-z“ eine Hebammenpraxis mit Geburtsmöglichkeit neben dem Landeskrankenhaus Feldkirch. „Eine Hebammenpraxis mit Geburtsmöglichkeit ist eigentlich ein Geburtshaus, aber in Österreich ist es rechtlich leider so geregelt, dass es nur unter ärztlicher Leitung so genannt werden darf“, sagt Dür. Das Projekt scheiterte damals aufgrund der Finanzierung und am fehlenden Hebammenteam.

Es gäbe jedoch auch günstigere Alternativen – zum Beispiel ein Geburtshaus in Elementbauweise. Ein solches ließe sich mithilfe einzelner Module schrittweise zusammenstellen, sodass sich die Anfangskosten in Grenzen halten würden. Dieses könnte ebenfalls auf eine freie Fläche neben ein Krankenhaus gesetzt werden. Genauso dafür geeignet wären reproduzierbare Geburtspavillons, die Dür im Rahmen einer Vorstudie für das Projekt Geburt 3000 entworfen hat. „Im Jahr 2027 wird der erste in einem nochmals neuen Design von anderen Architektinnen und Architekten in der Schweiz realisiert.“
Vorbilder in Sachen Geburt
Neben ihrer Tätigkeit als Ländlehebamme arbeitet Dür in einem Geburtshaus in Zürich. „In der Schweiz werden viele Geburtshäuser von Hebammen geleitet und stehen auf der Spitalliste – damit können alle Frauen mit Low-Risk-Verlauf das Angebot ohne Zusatzkosten nutzen“, erklärt die 36-jährige Satteinserin. Sie wünscht sich, dass auch ihre Leistungen als Ländlehebamme allen Frauen ohne Zusatzkosten offenstehen. Aufgrund der Privatisierungs- und Zentralisierungstendenzen im österreichischen Gesundheitssystem hält sie das aktuell aber für wenig realistisch.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts sammelt Dür positive Fallbeispiele von Geburtshäusern auf der ganzen Welt. Neben der Schweiz hebt sie auch Dänemark als Vorreitermodell hervor, wo die Zentralisierung bereits mit großen Krankenhauskomplexen vollzogen wurde. „Dort hat man das Wochenbett im Krankenhaus abgeschafft und Geburtshäuser in der Peripherie installiert. Außerdem schwirren angestellte Hebammen von den Kliniken zu Hausgeburten aus. Es ist günstiger und die Menschen verbringen mehr Zeit in ihrem vertrauten Umfeld“, informiert die Expertin. Entscheidend sei, dass Hebammen dort mehr Verantwortung tragen.

Dür ist der Meinung, dass man die mögliche Schließung von Geburtenstationen in Vorarlberg differenziert betrachten sollte. Sie versteht, dass angesichts der weltwirtschaftlichen Lage Einsparungen notwendig sind. „Jede Veränderung bringt aber auch Chancen mit sich. Würde man in dieser Situation stärker auf hebammengeleitete Geburtshilfe setzen, könnte das Gesundheitssystem langfristig Kosten einsparen. Man sollte die Menschen einladen, gemeinsam Lösungen zu finden.“
